Upwind in die Karibik
Wir bekommen Unterstützung über den Atlantik und verlassen die Kanaren mit Ziel Martinique.
Teneriffa — Martinique
Jetzt geht es aber dann richtig los: der grosse Teich.
Wir sind etwas nervös und kommen zum Schluss, dass wir für die Überfahrt wohl nie ‘ganz bereit’ sein werden. Am Mittag des 24. Novembers beschliessen wir, dass wir ‘bereit genug’ sind, um uns auf den Weg zu machen. Unsere Freunde auf ‘Daisy’ machen für uns am Steg die Leinen los und bescheren uns einen schönen Start in unser Überfahrt-Abenteuer. Charlie, Marcus, Cordelia und Pascal rennen vom Steg zur Aussichtspunkt der Marina, von wo sie uns mit Nebelhorn-Gehupe und mit langem Winken einen rührenden Abschied schenken.
Wir segeln südlich von La Gomera in die Abdeckung der Insel und haben dann erst mal keinen Wind mehr in den Segeln. Danach geht es zwischen den Inseln wieder unter Segel weiter nördlich bei ‘El Hierro’ vorbei, um nicht nochmal in der Abdeckung der Insel zu landen. Nachdem wir die Kanarischen Inseln hinter uns lassen, segeln wir mit kräftigem Wind im Rücken südwestlich weiter. Die ersten Tage der Überfahrt sind wir deshalb schnell unterwegs und es sieht aus, als würde der Wind so bleiben. Wir freuen uns auf eine kurze Überfahrt und glauben zu diesem Zeitpunkt, dass wir es in 16 oder 17 Tagen bis nach Martinique schaffen werden. Allerdings bildet sich in diesem Zeitraum ein grosses Tiefdruckgebiet auf der Höhe von Florida, also im Norden unserer Route. Damit haben wir nicht gerechnet und es ist auch eher ungewöhnlich für die Überfahrt im Dezember, wo der Passatwind eigentlich schon schön stabil ist.
Dieses Tiefdruckgebiet sorgt auf dem zweiten Teil unserer Passage für interessante Bedingungen. Der Wind beginnt schwacher zu werden und flaut dann komplett ab. Wir motoren in der ersten Flaute ca. 8h und sind dann wieder am Segeln, jetzt allerdings mit Wind aus Nordwesten, also upwind in leichtem Wind. Wir sind schon genug weit südlich, so dass wir nur am südlichen Rand des Tiefdruckgebiets entlang fahren und trotzdem wird dann der Durchgang der Warmfront bereits sehr interessant. Wir erleben in kurzem Wechsel stark drehende Winde und es giesst wie aus Eimern.
Nach der Warmfront ist der Wind sehr wechselhaft und wir segeln nun in Richtung Nordwest zwei Tage hart am Wind. Dann stellt der Wind komplett ab. Zwei Tage lang dümpeln wir in der Flaute und nutzen jeden noch so kleinen Windstoss, um zu segeln. Wir haben nicht genug Diesel, um die lange verbleibende Strecke einfach zu motoren und berechnen nochmals den aktuellen Füllstand.
Als sich der Passat langsam wieder einstellt wird klar, dass wir genau nach Sonnenuntergang im Süden von Martinique ankommen werden, was wir für die doch eher anspruchsvolle Einfahrt bei ‘Le Marin’ lieber nicht wollen. Wir entscheiden uns, das Tempo zu reduzieren und gegen Norden der Küste von Martinique entlang zu segeln und dann in einem zweiten Schlag mit Halbwind wieder in den Süden zu segeln, bis es dann Morgen wird. Dieser Plan ist nicht schlecht, leider macht das Wetter nicht ganz mit.
Wir erleben in den frühen Abendstunden einen Squall, also einen stürmischen Regenschauer mit Wind bis 35 Knoten. Dazu kommt ein Fischregen, wie wir ihn bis anhin noch nicht erlebt haben. Es fliegen die Fische wild auf unser Deck, einige an Silvios Kopf während dem Steuern. Innert Minuten, sind wir geschmacklich nahe beim Fischkutter, haben sich leider ungefähr 80 der fliegenden Fische auf unser Deck geschmissen. Dann wird der Wind und Regen weniger und der Spuk ist vorbei, der Wind leider auch. Er kommt nun auf südlicher Richtung uns stellt fast ganz ab. Diese letzte Nacht zehrt an unseren Nerven. Kurz vor dem Ziel nochmals die ganze Nacht wach mit konfusem Wind zu verbringen, bringt uns etwas an die Grenzen. In den Morgenstunden stellt sich der erwartete Nordostwind wieder ein und so können wir für die letzten Meilen nochmals vor dem Wind segeln. Wir zielen auf die Südostspitze von Martinique und sind mehr als glücklich, als wir am 21. Tag nach Abreise am Morgen in die Bucht bei ‘Le Marin’ einlaufen.
Die Kinder beschäftigen sich während der Überfahrt, wie schon auf vorigen Passagen, mit Rollenspielen, Hörspielen und unserer grossen Kiste Lego. Sie freuen sich, wenn Stefan ihnen – meist dreimal hintereinander das gleiche – Bilderbuch erzählt. Als die Kiste Lego nach einigen Tagen zum Einsatz kommt, wird diese bis Martinique nicht mehr verschwinden. Auch in Schräglage mit Geschaukel und Silikonunterlage wird eifrig gebaut.
Die Stimmungsbilder am Himmel und auf dem Wasser sind wunderschön, die Wolkenformationen vielfältig und wir versuchen uns darin aufgrund der Wolken die aktuelle Wetterlage zu deuten.
Die Stimmung auf Mirabella ist meist gut, die Kinder fragen auf der überfahrt kein einziges Mal ‘Wie lang gaht’s na?’. Sie wissen, dass der Weg von den Dattelpalmen zu den Kokospalmen über einen grossen Teich führt und das dauert eben eine gewisse Zeit. Zum Glück hat uns Cordelia von der Daisy einen kleinen Globus geschenkt. Darauf verorten wir unseren Fortschritt anschaulich mit den Kindern.
Wir müssen uns einen Wachplan ausdenken, der mit den Kindern kompatibel ist. Andrea bestreitet die Abendstunden bis Stefan um Mitternacht übernimmt und um 4 Uhr wiederum von Silvio abgelöst wird. Andrea ist um 8 Uhr am Steuer und nimmt die Kinder in Empfang. Diesen Rhythmus behalten wir bis Martinique bei. Die Wetterbedingungen halten uns jedoch auf Trab, entsprechend teilen Silvio und Andrea sich auf, teils während Stefans Schicht auch ein halbes Auge offen zu halten.
Wir basteln viel während diesen drei Wochen, stellen Pompoms her, backen und wagen uns bei totaler Flaute auch mal ins Wasser. Wir freuen uns über jedes Boot, welches auf dem AIS und am Horizont auftaucht. Es werden per Funk auch schon mal Routenpläne, Fischertipps oder Wetter-Einschätzungen ausgetauscht. Wir wissen, dass viele Schiffe unterwegs sind und doch ist es schön, den direkten Kontakt über Funk zu haben. Mit André dem Voreigner Mirabellas sind wir täglich über unser Satellitentelefon in Kontakt. Dass wir mit ihm unsere Routenplanung und Wettereinschätzung besprechen können, schätzen wir sehr. Wir dürfen glücklicherweise von seiner jahrelangen Erfahrung profitieren.
Wir wissen auch, dass Mirabella ein zuverlässiges und schnelles Schiff ist – wenn sie denn Wind in den Segeln hat.
Als wir im Hafen von ‘Le Marin’ festgemacht sind, stürzen wir uns umgehend ins Getümmel. Nach drei Wochen auf See wieder einen Fuss an Land zu setzen ist speziell. Und doch hüpfen wir von Bord, als wäre es gestern gewesen. Die Stimmung ist gut und das Halbfinale der WM beginnt kurz nach unserer Ankunft. Als Frankreich dann auch noch gewinnt, ist die Feierlaune rund um uns herum passend zu unserer guten Stimmung.
Wir sind müde und freuen uns sehr, den grossen Teich mit speziellen Bedingungen und zwei kleinen Mädels an Bord gut überquert zu haben, jupii!
Stefan war eine sehr grosse Unterstützung. Mit zwei kleinen Kindern ist die Herausforderung gross, neben dem Segeln rund um die Uhr, die gut ausgeschlafenen Kinder auf Trab zu halten und selber auch noch irgendwann schlafen zu können. Dank unserer erweiterten Crew konnten wir uns auch am Tag mal kurz zurückziehen und schlafen und mussten nicht alle Nachtschichten selber schieben.
Die Wegpunkt-Rum-Anstosser werden wir nicht vergessen, danke Stefan!
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